3-Tages-Tour durch den "Nationalpark Stilfser Joch"
Das Essen nach einem langen Biketag ist bestellt, das erste Feierabend Weizen bereits genussvoll verzerrt – und dann der ernüchternde Blick aus den großen Panoramafester auf den legendären Goldseetrail oberhalb der Stilfser-Joch-Straße. Der Regen, der eigentlich erst auf Sonntag nachmittag angekündigt war hat bereits voll eingesetzt. Es ist Samstag Abend.
Freitag, 21.08.2015:
Nach 5-stündiger PKW-Anreise starteten Franky, Jens und meine Wenigkeit zu unserem Mini-Alpencross durch den Nationalpark Stilfser-Joch. Von Glurns radelten wir gemütlich ins schweizerische Val Münstair. Auf teils steilem Schotteranstieg war mit dem Döss Radond (2234m) der erste Pass der 2 ½-Tages-Tour erreicht. Aber in Summe eine wirklich schön zu fahrende Kletterpartie. Am Pass angekommen quittierten Murmeltiere anerkennend unsere ersten erfolgreich absolvierten Höhenmeter. Es folgte nun der leicht abfallende Weg ins Val Mora – ein echtes Gebirgshighlight. Ein traumhaft schöner Singletrail ins immer enger werdende Tal. Am Ende sind wir in dem Hochtal der beiden Stauseen Lago di San Giacomo di Fraele und Lago di Cancano angekommen. Es war nun nicht mehr weit zu unserer Hüttenunterkunft Rifugio di Fraele. Ein Tag mit knapp 43 km und 1445 hm ging mit einem gemütlichen Abend bei Vino Rosso zu Ende.
Samstag, 22.08.2015:
Der morgendliche Blick aus dem Fenster brachte uns ein breites Lächeln auf die Gesichter. Bei bestem Bergwetter konnten wir den bevorstehenden Tag gut gelaunt in Angriff nehmen. Auch die Tatsache, dass wir die Extraschleife nach Livigno ohne schweren Tourenrucksack fahren konnten, trägt hierzu bei. Diesmal geht’s auf der anderen Seite des Lago di S. Giacomo Richtung ins Val di Alpisella. Ein toller Anstieg auf gut fahrbarem Schotter bringt uns zur gleichnamigen Passhöhe auf 2299m. Leider war der in der Karte eingezeichnete Wanderweg ein Schotterweg zum Lago di Livigno – eigentlich hatten wir mit einer flowigen Abfahrt gerechnet. Das Gebiet um Livigno genießt einen hervorragenden Ruf als eines der besten MTB-Gebiete der Alpen. Landschaftlich war die Tour bis dahin auf jeden Fall großes Kino.
Am Lago di Livigno mussten wir uns erst mal orientieren, unser Kartenmaterial scheint nicht mehr ganz auf dem aktuellsten Stand zu sein. GPS-Daten hatten wir leider nicht gespeichert. An einer Brücke machten wir einen Trail aus, der am Canale Terto ins Val Pila und spätere Val Trela führte. Das sollte für die nächste Stunde und weiteren 450hm unser Begleiter zum nächsten Pass werden. Den Bachlauf querten wir nun mehrmals und gelangen so nach einigen Kilometern nun auf die offizielle Bike-Route zum Passo di Val Trela (2205m). Der Trail war teilweise zum Hochfahren zu steil, aber in Summe eine wirklich schöne Auffahrt auf besten präparierten Wanderwegen. An der Passhöhe angekommen folgte einer der berühmt berüchtigten Flowtrails der Bike Destination Livigno. Nach dem Rifugio Casine di Trela endete der Trail und es ging auf Schotterweg zurück zu den Stauseen des Val di Fraele. Nach ausgiebiger Mittagsrast auf der uns bereits bekannten Rifugio di Fraele, ging es nun voll bepackt auf den sprichwörtlichen Höhepunkt der Tour – dem Bochetta di Pedenoletto (2782m) und Bochetta die Forcola (2768m). Dem lange Anstieg ins Valle Forcola hinein, folgten die in die Steilhänge geschlagenen Serpentinenwege auf die Hochebene von Pedenolo. Der alte Militärpfad verlangte einiges ab, war aber doch größtenteils bergauf fahrbar. Nach über 800 Aufstiegs-Höhenmeter war das Dach der Tour erreicht. Nach einem kurzen Gegenanstieg war auch die letzte wirklich ernst zu nehmend Hürde, der Forcola-Pass erreicht. Alte Schützengräben und Stellungen erinnerten an eine unvorstellbare Gebirgsschlacht im Zuge des ersten Weltkrieges. Der Trail zum Umbrailpass holte uns aber zurück in die Gegenwart. Ein absolutes Highlight – komplett fahrbar, immer im Blick das Stilfser-Joch, die gleichnamige Passstraße von Bormio kommend und mit etwas Glück der Ortler im Hintergrund. Ein Traum für alle Mountainbiker. Vom Umbrailpass folgten nun die letzten 350 Höhenmeter des Tages rauf auf den „Marktplatz“ des Stilfser-Joch. Etwas skurril ist die Passhöhe schon, mit ihren Marktständen und etwas in die Jahre gekommenen Hotels. Unsere Unterkunft, die Tibet-Hütte auf genau 2800m, lag leicht abseits des Rummels auf einer kleinen Anhöhe, mit bestem Blick auf die Kehren der von der Südtiroler Seite kommenden Pass-Straße. Ein langer Bike-Tag mit über 56 km und 2250 hm neigte sich dem Ende zu. Bikes abstellen, Zimmer beziehen (oder besser gesagt Besenkammer mit 3 Betten), Duschen, Klamotten trocknen und Essen gehen. Und nun der Blick aus dem Fenster….. die Wolken machten die ansonsten so tolle Aussicht langsam zu Nichte. Und schon setzte der Regen ein.
Die vergangenen 1 ½ Bike-Tage waren in Summe von Aufstiegshöhenmeter geprägt, um am großen Finale mit dem Goldseetrail die Höhenmeter durch eine 30km lange Trailfahrt Richtung Startort Glurns wieder auszugleichen. Der Goldseetrail ist laut diversen Bike-Zeitschriften und Internet-Portalen einer der Top-Trails der gesamten Alpen, aber auch ein nicht ganz einfach zu fahrender Trail. Vor allem bei nassem Untergrund und starkem Nebel. Also erst mal keine Panikmache und einen leckeren Rotwein bestellen. Am nächsten Morgen kann es bekanntlich ganz anders aussehen, gerade in an Alpen…
Sonntag, 23.08.2015:
Entsprechend gespannt sollte der Blick nach einer unruhigen Nacht aus dem Fenster erfolgen. Die gute Nachricht – es regnete nicht. Die schlechte – das Wolkenmeer schränkte die Sicht auf wenige Meter ein. Von unserem Vorhaben abzukommen, war dies aber kein Grund. Mit vielen anderen Bikern ging es um kurz vor halb Neun endlich los. Die ersten 100 Höhenmeter muss man zur Dreisprachenspitze (2836) noch zu Fuß, dann folgte der Trail-Rausch. Teilweise rissen die Wolken für kurze Zeit auf, so dass sich erahnen läßt, welch gigantische Aussicht hier bei gutem Wetter einen erwarten. Leider zogen die Wolken so schnell wieder zu, wie sie gewichen waren. Es folgten viele anstrengende Kilometer auf den Berghängen oberhalb von Stilfs, leider immer im dichten Wolkentreiben. Aber es blieb zum Glück trocken und die Temperaturen waren erträglich. Die lange Abfahrt, gespickt mit über 600hm Gegenanstiegen kostet trotzdem so einige Körner. So kamen wir ganz schön gemolken am Start und Zielort Glurns etwas später als Gedacht an.
Nach zäher Heimfahrt im dichten Verkehrsaufkommen der vielen Urlauber ging ein tolles und unvergessenes Bike-Wochenende zufrieden zu Ende!
In Summe:
ca. 130km, 4400hm